Klammheimlich

Hallo liebe Wolke,

weißt du was? 

Das Fest der Liebe geht zu Ende. 
Das Jahr auch. 
Ich sitze hier in bequemer Hose, weil zum Jahresende immer der Bund ein wenig kneift, von der vielen Esserei und der Bequemlichkeit, weil man sich irgendwann in diesen Tagen herunterfährt, und ein bisschen darüber nachdenkt, was war, was ist, und was vielleicht kommen wird
Ob alles beim Alten bleibt. 
Oder ob etwas neu wird. 

Neu wird man nicht am Anfang des Jahres, nicht am Ende, man wird überhaupt zu keinem Datum neu, an dem man weiß, es ist der Erste, der Letzte, Neumond, Sonnenfinsternis oder Silvester; und sich denkt, jetzt muss und möchte und wird man neu sein.

Das Wünschen vom Neusein, vom Pläneschmieden und Schlösserbauen geht anders. Das Neue fängt mit einem Kribbeln in den Zehen an, vielleicht auch im Bauch oder in den Haarspitzen. 
Das kann an einem Tag passieren, der unscheinbar scheint, ein ganz normales Datum trägt – oder es passiert langsam. Über Wochen. 

Dann kann man dabei zusehen, wie das Neue wächst, sich breit macht in Kopf und Herz und sich in Stärke manifestiert, mit der man die unglaublichsten Dinge schafft, die schönsten Träume träumt, die ab und zu wahr werden, ab und zu nicht.
Das ist nicht schlimm, denn die Träume bedecken Ängste, die nicht mehr spürbar werden. Ob sie sich erfüllen oder nicht.

Das kribbelnde Neusein kommt zu einem, in einer Sternschnuppennacht. 
Oder es liegt in einem Kinderlachen. 
In einem Anruf in der Nacht, wenn jemand sagt, er hat einen lieb. 
Das Neusein liegt in Freudentränen, es liegt darin, wenn zwei Menschen in eine Richtung schauen, es liegt in einem Arm, der einen in den Schlaf begleitet. Es liegt auch im Erschöpftsein oder im Lachen.

Vor allem liegt das Neusein in einem selbst.

Manchmal versteckt es sich ein bisschen und kommt meist nicht dann hervor, wenn es der Erste, der Letzte, Weihnachten oder Silvester ist.
Neu wird man. 
Durch sich selbst. 
Und durch andere, die einen lieben.

Und deswegen, liebe Wolke, wird das Leben immer Veränderung bedeuten, die manchmal klammheimlich kommt, und einem manchmal ziemlich offensichtlich auf der Nase sitzt. 
Und das ist gut so, denn dann darf der Hosenbund heute gern ein wenig kneifen. 

Bis ganz bald!

Das schräge Haus von Susanne Bohne - Liebesroman - Rowohlt Taschenbuch Verlag
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